Lieder in fünf Sprachen begeistern französische Nachbarn

Gesangverein Ruppertshofen auf 5-tägiger Konzertreise in der Provence

Eine überwältigende Konzertreise erlebten die Sängerinnen und Sänger des Gesangverein Ruppertshofen in der Provence – überwältigend die Landschaft, überwältigend die Atmosphäre bei den Kirchenkonzerten, überwältigend die Herzlichkeit der französischen Nachbarn.

Unter der Leitung von Christine und Karl-Gerhard Berroth kletterten 45 Reiseteilnehmer noch recht müde nachts um drei Uhr in den Omnibus. Eine Strecke von knapp 1000 km lag vor ihnen; Ziel war Arles als Ausgangspunkt für die nächsten fünf ereignisreichen Tage. Schon auf der Strecke wusste Berroth viel Interessantes über die Städte und Landschaften, die vorbeizogen, zu berichten. Erstes Etappenziel war die mittelalterliche Festung Mornas, hoch über dem Rhonetal gelegen. Der schweißtreibende Aufstieg belohnte mit einem gigantischen Blick über den breiten Fluss, auf Weinberge, sanfte Hügel und die Dächer des Dörfchens, das sich eng an den Hang schmiegt. Akteure in mittelalterlichen Kostümen erklärten Sitten und Gebräuche der damaligen Zeit. Zur Verdeutlichung wurde ein Teilnehmer auf die Folterbank gespannt, ein Mädchen an den Pranger gestellt. Die inständige Bitte der Mitreisenden erlöste sie aber rasch wieder von dieser Pein. Eine Stunde später in Arles angekommen wurden rasch die Zimmer bezogen und die Gruppe traf sich zum abendlichen Rundgang durch die von den Römern gegründete Stadt. Vorbei am Amphitheater und am antiken Theater schlenderte sie bis zum Platz der Republik, wo das prachtvolle, romanische Portal der Klosterkirche St. Trophime die Baukunst des 12. Jahrhunderts bezeugt. Der Rundgang endete im Restaurant La Bohème, wo ein dreigängiges Menü auf die deutschen Besucher zum Abschluss des Tages wartete.

Ritterburg und Papstpalast

Es war die Zeit des Tramontans, jenes heftigen Windes, der von Norden kommt. Die überflüssigste Tätigkeit in diesen Tagen ist es, sich die Haare zu kämmen. Les Baux-de-Provence, eine mittelalterliche Burganlage auf einem Bergrücken, deren Mauerreste ihre einstige Größe und Wichtigkeit erahnen lassen, ist bekannt für seine stürmische Lage. Sie hat zwei Besuchern am nächsten Morgen die Mütze gekostet und den Damen à la Marilyn Monroe die Röcke hochgeweht. Der heftige Wind sorgt jedoch auch dafür, dass die Luft glasklar wird, und die Silhouette der Landschaft gestochen scharf hervortritt. Das ist das Licht der Provence, das unzählige Maler, wie van Gogh, Cézanne oder Renoir, ins Schwärmen brachte. Auf der Fahrt durch die provencalische Landschaft nach Avignon konnten die Besucher dieses Phänomen selber beobachten. Eine deutschsprachige Fremdenführerin begleitete die Gruppe durch die Gemächer des Palastes, in dem im 14. Jahrhundert mächtige Päpste mit der Kirchenführung in Rom konkurrierten. Beeindruckend die Größe des Speisesaales und dessen Akustik. „Donna nobis pacem“ ließen die Sängerinnen und Sänger des Gesangvereins als Kanon durch die Palast erschallen. Beeindruckend auch der pyramidenförmige Rauchfang der angrenzenden Küche. Der kleine Touristenzug führte die Gäste nach der Palastbesichtigung auf bequeme Art und Weise durch die engen Gässchen der Altstadt hin zur weltberühmten Brücke Saint Bénézet. Zum Lied „Sur le Pont d’Avignon“ tanzen schon die jüngsten Kindergartenkinder, und auch die Ruppertshofener kennen es. Es blieb leider keine Zeit zum Verweilen, stand doch das erste Konzert in Orange an. Vor der Kapelle St. Louis, die zum städtischen Musikkonservatorium gehört, wurden die Sängerinnen und Sänger durch die Leiterin des Kulturbüros der Stadt sehr herzlich begrüßt. Getränke und Kuchen standen bereit, und diese Stärkung wurde von allen dankbar angenommen. Nach der Installation der Tontechnik, nach Mikrofontest, Stellprobe und kurzem Einsingen begann das sorgfältig vorbereitete Ereignis – ein Konzert im fremden Land. Wird es erfolgreich sein?

Das Konzert

Etwas Show gehört dazu, deshalb zogen die Sängerinnen und Sänger vom Hauptportal kommend und „Donna nobis pacem“ singend auf die Bühne, um sich dort aufzustellen. Christine Berroth begrüßte die Konzertbesucher, stellte den Gesangverein mit all seinen Gruppierungen vor und führte dreisprachig und charmant durch das Programm. Sie erklärte, wie diese Konzertsreise zustande kam: sie und ihr Mann seien vor 32 Jahren erstmals auf der Hochzeitsreise in die Provence gekommen, hätten im Laufe der Jahre viele Urlaube mit ihren drei Kindern hier verbracht und es sei ihnen ein Anliegen gewesen, die Schönheiten der Provence auch ihren Freunden vom Gesangverein zu zeigen.

Das Konzert unter der Leitung von Jutta Nagel begann mit traditionellen, deutschen Kirchenliedern. „“Lobe den Herren“ von Johann Sebastian Bach, „Der Herr ist mein Licht“, „Alles was Odem hat“ von Friedrich Silcher und „Adagio Cantabile“ von Ludwig van Beethoven; letzteres Stück wurde von Karl-Gerhard Berroth, ebenso wie drei weitere Lieder des Konzertes, für den Chor vierstimmig arrangiert. Eine besondere Leistung für den schwäbischen Chor war es, das Lied „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“ in französischer Sprache zu erlernen. Er hat es gemeistert, und besonders einfühlsam erklang „Nous avons vu les pas de notre Dieu“. Ebenso gefühlvoll erklang „May God be with you“, ein irisches Segenslied, und „Debout Resplendis“. Die Gesicherter der französischen Besucher zeigten freudige Überraschung, als sie die ihnen vertraute Weise hörten. Ein rhythmischer Gospel „Now at the name of Jesus“ und ein Spiritual „I’ve got a feeling“ beschlossen den sakralen Konzertteil. „Down by the Riverside“ drückte pure Lebensfreude aus, viel Gefühl hingegen das durch Louis Armstrong bekannt gewordene “What a wonderful world”. Elvis Presleys „Can’t help falling in love“ durfte ebenso wenig fehlen wie „Plaisir d’amour“ und „Ganz Paris träumt von der Liebe“. Richtig flott endete dieser Konzertteil mit „C’est magnifique“. Ein Zyklus mit Schlagern, Musical- und Filmmusik folgte: „Halleluja“, der Siegertitel des Grand Prix d’Eurovision de la Chanson von 1979, „Memory“ aus dem Musical „Cats“ und „The Rose“, bekannt durch die Interpretation von Bette Middler, jedoch in einem Arrangement für vierstimmigen Chor. Unverzichtbar „I will follow him“, das bekannteste Lied aus dem Film „Sister Act“.

Auf das Konzertende führte „Neigen sich die Stunden“ mit einer eingängigen Melodie hin, die letzte Strophe wieder in französischer Sprache gesungen. Das große Finale jedoch hatte ein Volumen wie die Trompeten von Jericho. „Time to say goodbye“ von Andrea Bocelli, bekannt geworden als Henry Maskes Abschiedlied vom Profi- Boxsport. Waren die Sängerinnen und Sänger während des ganzen Konzertes hoch konzentriert, sangen sauber und klar, mit viel Gefühl, perfektem Einsatz, wunderbarer Dynamik, so legten sie in den letzten Schlussakkord nochmals ihre ganze Seele, gepaart mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl und großer Erleichterung „Con te, con te!“ ein Jubelschrei aus 40 Kehlen, die Playback- Instumentalbegleitung auf „maximal“ gedreht, ließ die ehrwürdigen Mauern erbeben. Überwältigt nahmen sie den begeisterten Beifall der Zuhörer, der sich zum stehenden Applaus frenetisch steigerte und eine Zugabe verlangte, entgegen.

Dank einer Sondergenehmigung durften die deutschen Gäste anschließend das antike Theater von Orange besichtigen, selbstverständlich wurde mit einigen Liedern auch die berühmte Akustik getestet. Bis zu den obersten Rängen hinauf waren alle Stimmen klar und deutlich zu hören. Mit einem köstlichen Menü im nahe gelegenen Restaurant beschloss man den zweiten Tag.

Marktreiben, Make-up und mutige Männer

Der Markt von Apt ist bekannt als „der schönste Markt der Provence“. Ein Fest für alle Sinne. Welch herrliche Düfte zogen durch die Gassen: die intensiven Kräuter der Provence, lieblicher Lavendel, der Geruch frischgebackener Baguettes. Farbenfrohe Tücher, Obst- und Gemüsestände mit knackig-frischen Waren, geräucherte Würstchen, dünn und klein wie Zigaretten, Käsesorten ohne Zahl, Wein in rot und rosée. Und dazwischen kleine Bands, die die unterschiedlichsten Arten von Musik machten. Mit reicher Beute kehrten die Gesangvereinler von ihrem morgendlichen Streifzug durch den Markt zum Bus zurück, und beim Picknick unter schattigen Bäumen genossen sie die Köstlichkeiten der Region.

So waren sie gut gestärkt für das Erklettern der Ockerbrüche bei Roussillon. Von beige über gelb, hellrot, orange, dunkelrot bis braun erstrahlte die Landschaft im Sonnenlicht. Schon die römische Damenwelt der Antike hatte die Ockerpigmente als Make-up, Rouge für die Wangen und als Lippenfarbe benützt. Im 19. Jahrhundert setzte nochmals ein richtiger Boom ein, als das Ocker in Fässern in alle Teile der Welt verschifft wurde. Heute hat die chemische Industrie den aufwändigen Ockerabbau ersetzt und Touristen dürfen sich an dem herrlichen Farbenspiel des Ockerbruchs erfreuen.

Was wäre die Camargue ohne ihre schwarzen Stiere und weißen Pferde? Auf einem Gutshof, „Mas de Chassagne“ genannt, erfuhren die Besucher von der traditionellen Aufzucht der Rinder, ihrer Bestimmung als Kampfstier in der Arena oder als hochwertiger Fleischlieferant aus Muttertierhaltung. Eine Vorführung in der Arena zeigte, wie Pferd und Reiter perfekt aufeinander eingespielt sind, aber auch, wie sich junge Männer auf die Course Camarguaise, der in der Camargue üblichen Art des Stierkampfes, vorbereiten. Sie fordern junge Kühe durch Zurufen und Klatschen auf, sie zu verfolgen. Nur ein beherzter Sprung über die Balustrade konnte so manchen der Burschen davor bewahren, von der Kuh auf die Hörner genommen zu werden.

Ein fünfgängiges Menü beschloss diesen schönen Ausflugstag. Wein und Gesang gehören zusammen, und so wurden alte Schlager, Trinklieder und Chansons gesungen. Als das Abschiedslied zum Aufbruch mahnte, und die fröhliche Gesellschaft „Il est temps du repos“ anstimmte, horchten die französischen Gastgeber auf. Ein Strahlen ging über ihre Gesichter, und das ehrlich gemeinte Kompliment über die perfekte Aussprache ließ auch die Ruppertshofener mit einem strahlenden Gesicht in den wartenden Bus steigen.

Auf Regen folgt Sonnenschein

Drei Tage lang hatte die Sonne die deutschen Besucher verwöhnt, doch der nächste Morgen zeigte sich bewölkt. Die Damen in Shorts, kurzen Röcken und Tops mit Spaghettiträgern begannen zu schlottern. Die paar Wolken würden sicherlich gleich wieder verschwinden? Oh nein, im Gegenteil. Auf der Strecke zum Pont du Gard verdunkelte sich der Himmel zusehends, es begann zu regnen, bis es schließlich in strömen goss. Von der Landschaft war nicht mehr viel zu sehen, alles grau in grau. Mit Schirmen bewaffnet und unter Regenjacken geschützt patschte die Gruppe durch die Pfützen bis zu der gigantischen, von den Römern im Jahr 19 v.Chr. erbauten Wasserleitung, die sich etwa in 50 Meter Höhe und einer Länge von 275 Meter über das Flüsschen Gard spannt. Nach dem obligatorischen Foto flüchteten alle schnell wieder in den trockenen Bus. Ziel war Aigues Mortes, südlich gelegen. Leise Hoffnung keimte auf: „Ist es dort vorne nicht etwas heller?“, „Ich glaube, der Regen wird langsamer!“ Das geplante Picknick am Strand konnte man wohl vergessen. Die wenigen kleinen Restaurants in Aigues Mortes würden sicherlich überfüllt sein. Also beschloss die Reiseleitung: Einkaufszentrum anfahren, alle ausschwärmen und Essen einkaufen. Zum Glück kam die Gruppe erst eine halbe Stunde vor Ladenschluss an, so musste sich jeder rasch entscheiden und flugs zur Kasse eilen. Der Bus fuhr dann entlang der beeindruckenden Stadtmauer von Aigues Mortes, die mit ihren 15 Türmen zu den best erhaltensten, spätmittelalterlichen Bollwerken Europas zählt. Die Besucher erfuhren von der Stadtgründung in den ehemaligen Sümpfen, vom glücklosen Kreuzritter Ludwig dem Heiligen und von Marie Durand, die ihres Glaubens wegen 38 Jahre im Turmverlies gefangen war. Gleich hinter der Stadt beginnt die industrielle Salzgewinnung, die weißen Salzberge und die rosaroten Salzwasserbecken waren kurios anzuschauen.

Inzwischen hatte der Regen nachgelassen und es wurden Überlegungen angestellt, ob man nicht vielleicht doch zum Strand hinausfahren könne. Nachdem man sich rückversichert hatte, dass der sandige Untergrund stabil genug für den schweren Omnibus sei, steuerte die Gruppe hoffnungsvoll den Plage de l’Espiguette an. Die Schuhe und Strümpfe ausgezogen, Hosen hochgekrempelt, Kapuze aufgesetzt, so man hatte einen Schirm aufgespannt, also kämpften die wackeren Schwaben gegen den peitschenden Wind an. „Es ist mir ganz egal, ob es jetzt regnet. Ich war noch nie in meinem ganzen Leben am Meer, und ich will jetzt das Meer sehen!“ hörte man eine Stimme entschieden verkünden. Der Pfahl mit den richtungsweisenden Schildern neben der Strandbar war das Ziel, hatten die Ruppertshofener doch extra ein Schild mitgebracht „Ruppertshofen 1000 km“, und das wurde unter großem Jubel angebracht. Die wenigen Besucher der kleinen Strandbar wunderten sich über den germanischen Überfall, und als sie hörten, dass dies ein Chor auf Konzertreise sei, baten sie, man möge doch ein Lied für sie singen. Gerne kam man dieser Bitte nach und, oh Wunder, just bei dem Vers „…über uns strahlt der Himmel“ öffnete sich die Wolkendecke und die Sonne lugte hervor! Jubelnd und ausgelassen wie die Kinder tanzten die Ruppertshofener am Strand des Mittelmeeres, patschten im warmen Wasser, streckten Gesicht und Arme der Sonne entgegen. Die Schrannen wurden neben dem Bus aufgestellt, und es fand tatsächlich statt: das Picknick am Strand.

Der Wallfahrtsort der Zigeuner

Nach ausgiebiger Rast machte sich die Gruppe auf zur letzten Etappe der Reise, nach Les Saintes Maries de la Mer. Vorbei an Reisfeldern, friedlich grasenden Stieren, auf Reiter wartenden Camargue-Pferden und gründelnden Flamingos erreichte man den weltberühmten Wallfahrtsort der Zigeuner. Die Wehrkirche von Les Saintes Maries de la Mer ist den heiligen Marien gewidmet, die der Legende nach in einem Boot ohne Segel und Ruder dort ans rettende Land gespült worden waren. Begleitet wurden die Marien von der dunkelhäutigen Dienerin Sarah. In der Krypta der Kirche steht die mit kostbaren Brokatmänteln behängte Statue der Sarah, die von den Zigeunern als ihre Schutzheilige verehrt wird. Alljährlich Mitte Mai findet die große Zigeunerwallfahrt statt, während der die Sarah in einer Prozession ins Meer getragen wird. Der Chor bereitete sich auf das Konzert vor, Umkleiden, Schminken, Ton- und Technikproben. Der immense Rückhall, der im Kirchenraum vorhanden war, bereitete der Chorleiterin und dem Techniker etwas Kopfzerbrechen. Doch durch ein bewusst langsames Singen konnte die Akustik überlistet werden.

Aus Respekt vor diesem von so vielen Menschen verehrten, heiligen Ort verzichtete der Chor auf die Lieder des Konzertprogrammes, die eher in den Unterhaltungsbereich gehören.

Doch auch hier, in Les Saintes Maries de la Mer, traf der Ruppertshofener Gesangverein auf eine gut besetzte Kirche mit interessierten und begeisterten Zuhörern, die nach jedem Lied applaudierten und am Schluss, wie schon in der Kapelle St. Louis in Orange, mit stehendem Applaus eine Zugabe forderten.

Der Sternenhimmel

Am nächsten Tag sollte die Heimfahrt angetreten werden, und so fand die Reise ihren romantischen Abschluss bereits am Vorabend in Arles. An einer langen Tafel saßen die Gesangvereinler direkt am Ufer der Rhone, verschiedene Käse- und Weinsorten machten die Runde, die letzte Baguette wurde geteilt, deutsche Volkslieder wurden gesungen. „Nehmt Abschied Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr.“ Am gegenüber liegenden Ufer die erleuchtete Promenade, deren Laternen sich im Wasser spiegelten, über ihnen das Sternenzelt. Vincent van Gogh hatte 1888 von diesem Blick ein Bild gemalt, nannte es „La nuit étoilée“. Es hängt heute im Musée d’Orsay in Paris. Für den Gesangverein aus Ruppertshofen wurde es in dieser Nacht Wirklichkeit.

28. Mai bis 1. Juni 2009

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